Am 30.09. reichte eine Initiative von ehrenamtlich tätigen Fachexperten eine Petition im Stadtrat von Hoyerswerda zur Rettung des Hochhauses am Knie ein: Eine Flucht nach vorn. Hier die Chronik der Ereignisse aus der Sicht der Initiative.
Eine Initiative und ihre Idee
Anfang 2025 wird öffentlich bekannt, dass das Hochhaus am Knie in Hoyerswerda Anfang 2026 abgerissen werden soll. Daraufhin gründet das Bürgerbündnis Aktives Hoyerswerda eine Projekt-Initiative aus Fachexperten. Am 30.03.25 übermittelt diese eine Ideenskizze zur Rettung des Hochhauses – an den Oberbürgermeister, an den Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft (WGH) und an den Geschäftsführer der Versorgungsbetriebe Hoyerswerda (VBH). Die Idee: Ein Wohnhochhaus soll zu einem Energie-Hochhaus umgebaut werden, in welchem niemand mehr wohnt, stattdessen soll es komplett zur Erzeugung und Speicherung von Wärmeenergie genutzt werden.
Die VBH ist interessiert, eine „Elefantenrunde“ wird verabredet
Am 08.04. signalisiert die VBH Interesse. Sie benötigt aber ein belastbares Konzept (a) zur technischen Machbarkeit und (b) eine Kostennote. Die Projekt-Initiative legt los. Nach einem Monat ehrenamtlichen Brütens und Diskutieren liegt am 28.04. eine erste technische Konzeptskizze vor. Am 10.05. übergibt die Initiative diese technische Konzeptskizze der VBH sowie über Bürgermeister Pink an den Oberbürgermeister. Am 22.05. erreicht die Initiative die Information, dass der Oberbürgermeister die an ihn übergebene Konzeption noch nicht einsehen konnte. Die VBH erklärt sich unterdessen bereit, eine Konzepterstellung zu beauftragen. Am 28.05. lädt der Oberbürgermeister (OB) für den 19.06. zu einer „Elefantenrunde“ ein – von OB, VBH, den Städtischen Wirtschaftsbetrieben Hoyerswerda (SWH) sowie Vertretern der Initiative. Am 16.06. arbeitet die VBH ein erstes Auftragsangebot für einen kleinen Planungsauftrag aus.
Die „Elefantenrunde“: Hinweise und Verabredungen
Am 19.06. findet die „Elefantenrunde“ statt. In dieser Runde präsentierten drei Vertreter der Initiative die Idee zum Energie-Hochaus. Die Idee wird für interessant befunden. Der OB verweist auf eine sehr enge Termin-Kette: Beginn der Ausschreibung zum Abriss. Ende Juni; Abschluss der Ausschreibung: Ende September; Auftragsvergabe zum Abriss: Anfang Oktober.
In der Runde wird durchgespielt, dass die WGH das Hochhausgebäude der VBH für einen Euro überlassen müsste. Allerdings: Bei der WGH sind wegen des bevorstehenden Abrisses bereits Planungskosten angefallen.
Aufgrund der engen Terminkette weist die Initiative darauf hin, dass die Idee notfalls auch einen Entkernungs-Abriss „aushalten“ würde, wenn wenigstens die Bauhülle erhalten bliebe. Es wird erwähnt, dass bei einer Auftragsvergabe zum Abriss eine vertragliche Ausstiegsklausel definiert werden müsste, falls sich die Idee tatsächlich als tragfähig erwiese und man nicht abreißen müsse. Verabredet wird:
(1) Die VBH sagt zu, den vorbereiteten kleinen Planungsauftrag zu bestellen und das Gebäude unter der Bedingung zu übernehmen, wenn sich das Projekt als wirtschaftlich herausstellt.
(2) Der Oberbürgermeister erklärt sich bereit, den Aufsichtsrat der WGH über die Alternativ-Idee und die Ergebnisse der „Elefantenrunde“ in Kenntnis zu setzen.
Die Zeit rennt!
Am 26.06. wird der kleine Planungsauftrag von der VBH bestellt. Bis bis Ende Juli/Anfang August ist ein Bericht vorzulegen. Am 09.07. erhält die Initiative von der WGH Bauunterlagen zum Hochaus am Knie. Am 27.07. wird der Bericht der VBH vorgelegt. Er geht von einem entkernten Hochhaus aus, also von einem Teilabriss. Die VBH ist von dem Bericht angetan. Sie erbittet eine Wirtschaftlichkeitsberechnung bis Ende August und stellte dafür eigens einen Mitarbeiter ab.
Dieser Bericht wird am 28.08. vorgelegt.
Kommunikative Armut seitens der WGH – eine investigative Recherche
Während die Initiative die verabredeten Berichte terminlich – mit Ach und Krach – noch vor dem geplanten Abschluss der Ausschreibung zum Abriss (Ende September) vorlegt, „verarmt“ die Kommunikation seitens der WGH. Der Initiative wird mitgeteilt, dass der Fördermittelgeber des Abrisses – die sächsischen Aufbaubank (SAB) – keinen Weg sehe, die Fördermittel zeitlich befristet zu stornieren. Eine investigative Recherche ergibt jedoch, dass es bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB) keinerlei Verhandlungen über die Abriss-Alternative Energiehochhaus gab. Das Projekt ist ihnen nicht bekannt.
Zeit zur Überprüfung der Zahlen wird benötigt!
Im September wird die Projekt-Initiative im Regen stehen gelassen. Nur die VBH kommuniziert klar und deutlich: Sie findet das Projekt gut, ist aber von den betriebswirtschaftlichen Daten noch nicht überzeugt. Diese müssen im Detail auf ihre Belastbarkeit geprüft werden. Doch dafür braucht es Zeit. Bauliche und andere Daten werden benötigt. Zeit dafür können die hochbelasteten Experten der Initiative ehrenamtlich nicht aufbringen.
Die Initiative nimmt Kontakte zu Spitzen-Akteuren aus der Energie-Wirtschaft, aus der Wohnungs-Wirtschaft und aus der Wissenschaft auf. Sie bestätigten: Das Projekt hat eine innovative, zukunftsweisende Qualität. Und es ist finanziell machbar und tragbar: Wenn alle städtischen Akteure es wollen. Doch wollen sie es? Versuche mit zwei Fraktionsvorsitzenden aus dem Stadtrat über einen befristeten Abriss-Stopp zu verhandeln, führen ins Leere.
Die Flucht nach vorne
Nachdem die Projekt-Initiative mit Akteuren von städtischer Verwaltung, Wirtschaft und Stadtpolitik verhandelten, spüren sie, dass sie scheitern. Die Initiative entschließt sich unter höchstem Zeitdruck den letzten Akteur der Stadt ins Boot zu holen: Die Bürgerschaft.
Zu lange glaubte sie naiv daran, es genüge die „internen“ städtischen Akteure von ihrer Idee zu überzeugen. Doch diese scheinen komplett überlastet mit anderen Themen, die ihnen Scheuklappen aufsetzen. Am 27./28.09. erarbeitet die Initiative schließlich die finale Fassung einer „Ermutigungs“-Petition.
Diese Petition wird ausdrücklich nicht konfrontativ verfasst, sondern mit Verständnis für die handelnden Verantwortlichen. Sie wirbt einfach nur um mehr Zeit, damit die Alternativ-Idee zum Abriss – nach dem Credo unserer Stadt „Wir lieben Ideen“ – kooperativ genauer untersucht werden kann. Fünf der sechs Initiativmitglieder unterzeichnen die Petition.
In Absprache mit der Initiative informiert ein Mitglied den Oberbürgermeister über die Petition und legt ihm den Text vor – am 29.09., einen Tag vor der Ratsversammlung.
Für die einen ein Fiasko – für die anderen ein Dilemma
In der Stadtrats-Versammlung am 30.09. kommt es – aus Sicht der Projektinitiative – nach der Verlesung der Petition – zu einem Fiasko (ab Minute 33:43). Das Initiativ-Mitglied, das die Petition verlas, wird mit Zahlen „niedergebombt“. Zahlen, die eigentlich in einen Diskurs von Fachexperten gehören.
Eine Mail des Geschäftsführers der VBH, der dem Projekt wohlgesonnenen ist und der es zurzeit für noch nicht tragfähig hält, wird als das Projekt ablehnend dargestellt. Was dieser jedoch sachlich beschreibt ist, was alle „internen“ Beteiligten längst wissen: „Aus VBH-Sicht ist das Projekt mit dem gegenwärtigen Planungsstand nicht tragfähig.“
Aus dem Blickwinkel der so „kommunikationsarmen“ WGH, die sich vermutlich nie ernsthaft für das Projekt bei der Sächsischen Aufbank (SAB) einsetzte, sondern ihr es verschwieg, aus Sicht der WGH drohen Fördermittel-Verluste und Vertragsstrafen, wenn sie den Abriss verschiebt. Kurzum, eine Ansammlung von Totschlag-Argumenten. Doch erinnern wir uns an einen bedeutsamen Umstand: Der Gesellschafter der WGH ist zu 100% die Kommune Hoyerswerda. Wer aber ist die Kommune? – Es sind die Bürgerinnen und Bürger.
Mit ein bisschen Empathie kann man den Groll des Oberbürgermeisters sehr gut verstehen: „Warum kommt die Petition nicht im Juni, Juli? (…) Warum kriegen wir eine solche Petition dann, wenn wir jetzt überlegen müssen, wie kriegen wir jetzt größtmöglichen Schaden von der Stadt abgewendet, gegenüber den Aufträgen, die raus sind, gegenüber den entsprechenden Verhandlungspartnern und gegenüber der Öffentlichkeit? (…) Was mache ich jetzt mit dieser Petition? Lass ich die jetzt liegen bis November und teile dann fröhlich mit, dass die Hälfte des Hauses schon nicht mehr steht?“
Dicht davor gescheitert
„Fünf Wochen haben uns gefehlt“, sagte ein Fachexperte der Initiative resigniert, „und wir hätten mit den vereinten Kräften aller Akteure, die noch nicht ganz gesicherte Gesamt-Rentabilität des Projekts hinbekommen. Und die Wohnungsgesellschaft hätte das Gebäude an einen anderen Nutzer übergeben können. Wir waren ganz dicht davor!“
Tragisches Scheitern aufgrund mangelnder Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit
Im Jahre 2021 wurde die Stadt Hoyerswerda auf Anregung der ehemaligen Bürgerinitiative Mitmachstadt Hoyerswerda und unter Zustimmung der Verwaltung – Mitglied im Bundesnetzwerk „Engagierte Städte“. Das Besondere einer echten „Engagierten Stadt Hoyerswerda“ ist der Wille zu einer wertschätzenden Kooperation und transparenten Kommunikation aller wichtigen „Sektoren“ einer Stadt: Verwaltung, Stadtpolitik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Sobald aber ein „Sektor“ fehlt, kann etwas schief gehen. Und hier ist es wohl gründlich schief gegangen. Vielleicht, weil ein wichtiger Akteur von Anfang an fehlte und nicht eingebunden war: Die Zivilgesellschaft – sprich die Bürgerschaft von Hoyerswerda.
ANMERKUNG
Die Petition steht jetzt auch online.
Hier zwei Links zum Verständnis einer „Engagierten Stadt“:
https://www.engagiertestadt.de/ansatz/
https://www.engagiertestadt.de/hoyerswerda/