Stadtrat beschließt Strategiewechsel in der Stadtentwicklung

Die Stadtpolitik in Hoyerswerda kommt in Bewegung. Zumindest „konzeptionell“, „strategisch“. Ich beobachte geduldig und dokumentiere, was mir möglich ist.

Auf der 5. Ratsversammlung am 17.12. votierte die Ratsversammlung mit großer Mehrheit und nur einer Stimmenthaltung für das neue „Gesamtstädtische Regionale Handlungskonzept“ (GeREHK). Dieses Konzept wird bis mindestens 2040 das entscheidende informelle Planungsinstrument für Hoyerswerda sein.

Es soll der Stadtverwaltung, den Stadträtinnen und Stadträten helfen, Grundfragen der künftigen Stadtentwicklung zu klären. Denn es legt Kriterien fest, an denen sich künftige Entscheidungen orientieren werden. Damit könnte „die leidvolle Erfahrung“ verhindert werden, „dass Detailprobleme den Blick versperren für das Gesamtbild, für das Große und Ganze, wohin die Stadt sich entwickeln will“, sagte der externe GeREHK-Prozessleiter Nico Neumann in seinem Vortrag auf der Ratsversammlung.

Ein „Zwischenprodukt“, das weiterentwickelt wird
Schritt für Schritt muss es nun mit Schwerpunktsetzungen, Fachkonzepten und konkreten Investitionsvorhaben untersetzt werden. Nico Neumann (DSK) wies mehrfach darauf hin: „Dieses Konzept ist ein Zwischenprodukt, das Sie ständig weiterentwickeln müssen, gemeinsam und in engem Austausch mit der Stadtgesellschaft.“

Zwei „grausame“ demografische Fakten
Im seinem etwa 40-minütigen Vortrag startete er mit zwei grausamen Fakten, die verdeutlichen, dass unserer Stadt für die nächsten 15 Jahre eine neuerliche, schleichende Schrumpfung bevorsteht:
(1) Im Verhältnis von Wohnungs-Auflösungen vs. Haushalts-Neugründungen entsteht in der Stadt ein Minus von 3.100 Wohnungen.
(2) Im Verhältnis von Renteneintritt vs. Berufsstart entsteht ein Minus von 3.800 Fachkräften.

Stadtentwicklung nur durch Zuzug möglich
Wenn unsere Stadt eine Chance haben will, die erreichte Vitalität ihrer Stadtgesellschaft zu erhalten dann sei sie, so Neumann, auf Zuzug von Fachkräften für die freiwerdenden und für die vom Strukturwandel-Prozess neu geschaffenen Arbeitsplätze angewiesen.

Wendepunkt für Stadtgesellschaft
Nico Neumann: „Die Stadtgesellschaft steht damit vor einem Wendepunkt. Sie hat große Probleme zu lösen, andererseits existiert die Chance im Rahmen des Strukturwandels Instrumente zu nutzen, um diese Probleme zu lösen. Dabei kann es keinen endgültigen Plan geben. Er muss Schritt für Schritt durch die Stadtgesellschaft entwickelt werden.“

Zeitgemäße Lebensbedingungen schaffen
Zukünftige Stadtentwicklung müsse sich somit auf zeitgemäße Lebensbedingungen fokussieren, die Zuwanderung begünstigen, indem sie
(a) junge Menschen in der Stadt hält oder sie zur Rückkehr bewegt
(b) überregionale Zuwanderung aus dem restlichen Bundesgebiet oder dem Ausland ermögliche, regionale Zuwanderung helfe nicht

Strategiewechsel für Stadtpolitik
Das bedeutet „strategisch“ ein kommunalpolitischer Wechsel von der alten Anpassungs-Steuerung hin zu einer neuen „proaktiven Steuerung“.
Nico Neumann: „Wenn wir Anpassung auf der Grundlage von üblicher Fortberechnung weiterführen, vergeben wir uns Chancen.“
„Wir müssen den Mut aufbringen, Zwischenlösungen zu diskutieren und Infrastruktur für Zuwanderung vorhalten, Stichwort für Kita- und Schulplätze.“
„Wir müssen nach vorne denken und flexibel bleiben und uns jedes Mal fragen: Ist das wirtschaftlich zwingend notwendig oder gehen wir ins Risiko, um Lebensqualität für zukünftige Fachkräfte als Zukunftsargument zu halten?“

Riskante Balanceakte wagen
Damit hat die Stadtpolitik über alle Fraktionen und Parteien hinweg gemeinsam mit der Stadtverwaltung einen äußerst schwierigen Balance-Akt zu wagen.
Neumann: „Einerseits muss sich die Stadt an schrumpfende Bedarfe anpassen, andererseits muss sich die Stadtentwicklung aber auch auf zukünftige Bedarfe ausrichten.“
„Das betrifft sowohl Quantitäten wie auch Qualitäten. Sie müssen dabei Ansprüche von Bevölkerungsgruppen in den Fokus nehmen, die heute vielleicht noch gar nicht existieren, ohne die jetzige Bevölkerung zu verlieren, denn die muss sich natürlich wohlfühlen.“

Die große Leerstelle: Das urbane Raumbild der Neustadt
Neumann mahnte eine immer noch ungelöste, schmerzhafte Leerstelle im GeREHK an:
„Sie haben noch keine räumliche Vision für die Neustadt entwickelt. Wir haben kein Raumbild, erst dann können wir Aussagen machen zur Gestaltung der WK‘s, der Wohnungen, Wohnhöfe, öffentlicher Raum usw.“
„Das Thema ist nicht Einfamilienhaus auf der Wiese, sondern urbanes Wohnen, Geschosswohnungen anzubieten…. und da haben wir keinen Plan.“
„Die besondere Chance und Verpflichtung für Hoyerswerda ist eine besondere Urbanität anzubieten.“

In welchen Formaten weitermachen?
Stadtrat Christoph Wowtscherk (CDU) stellte in der anschließenden Aussprache dazu die vielleicht entscheidende Frage: In welchen „Formaten“ arbeiten wir uns durch diese Aufgaben durch? Die dafür typischen Formate der Ausschüsse, die über Beschlussvorlagen beraten, reichen dazu nicht aus.
Der Oberbürgermeister verwies darauf, dass es die Aufgabe des Ausschusses für Stadtentwicklung sein wird, sich zur Öffentlichkeit hin zu öffnen und entsprechende Formate gemeinschaftlicher Kooperation zu finden.

ANMERKUNG:
Wer das alles nochmals nachschauen will, hier:
ab 00:49:05 Ansprache Oberbürgermeister
ab 01:04:55 Nico Neumann (DSK)
ab 01:45:00 Aussprache

Veröffentlich auf Facebook am 20.12.24.