In Hoyerswerda sterben richtig schöne Projekte machmal aus unverständlichen Gründen.
Wenn in unserer Stadt das Stoßgebet für „Macher“ und „Ermöglicher“ geseufzt wird, sollte man eine dritte Rolle nicht vergessen, die in das große Bühnenspiel hineingehört, in das Drama vom Wandel Hoyerswerdas zu einer modernen, weltoffenen Stadt. Es geht um eine Rolle, die jeder kennt und schon mal gespielt hat, auch ich. Und die ihre ganz eigenen Argumente findet, wenn sie die Spielbretter betritt. Es geht um die Rolle des „Verhinderers“ oder „Spielverderbers“.
Hier die Ballade zweier „Macher“, die kürzlich „Spielverderbern“ begegneten. Stellen Sie sich zunächst vor: Zwei „Macher“ halten in unser Stadt seit 25 (!) Jahren einen kleinen Kulturdampfer unter Dampf. Die private Musik- und Kunstschule Bischof. „Musik machen“ klingt ungeheuer profitabel, nicht wahr? Wenn’s wenigsten Backwaren wären oder Haare, die wie der Hunger immer nachwachsen. Das „Human“-Kapital für dieser Geschäftsidee: Jana und Andre Bischof. Jana war gelernte Gebrauchswerberin, die ihren Job umgehend verlor als sie im vereinten Deutschland schwanger wurde. Andre – ohne Schrägstrich überm „e“ – war gelernter Schlosser, der nebenher Musik machte, studierte und dann als staatlich angestellter Kulturarbeiter tätig war. Mit der Wende ging er wie viele fort, jobbte als Verkäufer in einem großen Lebensmittelkonzern. 1993 warfen sie den Motor ihres Kulturdampfers an und tuckern seitdem durch die sumpfigen Flüsse der Einnahmen-Ausgaben-Untiefen. Aus ihnen fischen sie ihren Lebensunterhalt und die laufenden Sach- und Personalkosten heraus, legitimieren die Kreditwürdigkeit für Investitionen. Und das alles in unmittelbarer Konkurrenz zu einer subventionierten Musikschule – und – mit der superreichen Einwohnerschaft von Hoyerswerda als potentieller Kundschaft.
Stopp! Nicht dass jetzt windige Gesellen die Kultur-Subvention infrage stellen, nur weil’s die beiden schaffen zu überleben! Die Kulturproduktion der Musik- und Kunstschule sah in den letzten 25 Jahren beachtlich aus: Unterricht für ca. 3.500 Schüler: Klavier, Gitarre, Schlagzeug, Flöte, Akkordeon, Gesang, Schauspiel. Musikalische Früherziehung. Workshops und Seminare für Lehrer und Erzieher. Diverse Bands gingen aus der Schule hervor. Jugendweihefeiern mit insgesamt ca. 60.000 Besuchern wurden bespielt. Kinder-Musicals vor krachend voller Lausitzhalle auf die Beine gestellt. Auftritte durchgeführt zu Weihnachts- und Osterkonzerten, zu Stadtfesten, Eröffnungs- und Jubiläums-Veranstaltungen und Empfängen. Andre Bischof leitet zudem den Bürgerchor, der 70 Leuten eine vergnüglich-gemeinschaftliche Freizeitbeschäftigung ermöglicht und dem Bürgerzentrum gefüllte Säle. Das ist die Produktions-Bilanz der beiden Macher. Ende der Vorgeschichte!
Jetzt zur Geschichte! Eingemietet in eine uralte Hütte, einem ehemaligen Postgebäude in der Neustadt am „Knie“, machen die Bischofs ihrem Vermieter, der städtischen Wohnungsgesellschaft (WG), 2015 das Angebot, das Haus für einen angemessenen Preis zu kaufen. Ihre Idee: Mit Eigenmitteln wollen sie endlich die marode Infrastruktur des Hauses erneuern. Einige WG-Manager riechen ein lukratives Geschäft und setzen den Verkaufspreis hoch an. Die Bischofs passen. Die WG prüft eine Sanierung. Eine weitere „Macherin“, die Architektin des Bürgerzentrums Dorit Baumeister entwickelt ein Konzept: Es sieht den Umbau von Räumen vor, die Erneuerung von Fassade, Eingangs- und Außenbereich, sowie die Einbindung eines Raumes, der seit Ewigkeiten leer steht – als Konzertraum. Alle sind vom Konzept schwer begeistert. Die Bischofs akzeptieren die Umlage der Sanierungskosten auf die Miete. Doch der WG-Aufsichtsrat stoppt das Projekt. Versteckt sich im Tarnmantel des „Ermöglichers“ ein „Spielverderber“? Die Bischofs sind pappesatt. Der Gedanke blitzt auf, sich aus der Stadt zurückzuziehen. Das Finale nach drei nervigen Jahren: Für eine WC-Sanierung und einen kleinen Raumumbau lässt sich der Vermieter erweichen.
Als die Bischofs auf ihrer Jubiläums-Feier kräftig ins Ironie-Horn blasen, stellt der anwesende Oberbürgermeister vor 150 Gästen Hilfe für den Konzertraum in Aussicht. Doch die WG ist knüppelhart: Der leerstehende Raum darf für monatlich 550 Euro angemietet werden. Die Bischofs winken ab. Der Oberbürgermeister bekräftigt seine Unterstützung… Und das Ende der Ballade von den beiden Machern? Wird wohl nichts mit einer kleinen – auch architektonischen – Kulturperle in der Neustadt. Schützt unser koketter Stadtslogan „Wir lieben Ideen!“ wohlmöglich Biotope von „Spielverderbern“? Müsste nicht ein anderer kategorischer Imperativ her? Z.B. „Wir LEBEN Ideen!“ Andernfalls könnte es hier immer nur für kleine Umbauten reichen. Und für neue Klos.
(veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung/Hoyerswerdaer Tageblatt 18./19.08.18)