Der Streit um das neue Einkaufscenter in Hoyerswerda geht weiter und strebt seinem Höhepunkt zu.
Leipzig tat es, Chemnitz tat es, Radeberg tat es, Markranstädt tat es, Brand-Erbisdorf tat es – warum nicht Hoyerswerda? All diese sächsischen Gemeinden legten ihre Einzelhandelskonzepte über einen Monat lang dem Bürger zur prüfenden Meinungsbildung aus.
Beschluss ohne öffentliche Auslegung?
Was aber veranlasst unsere Stadtverwaltung dies nicht zu tun? Sie möchte das neue Einzelhandelskonzept OHNE öffentliche Auslegung durch den Stadtrat am 30.01. beschließen lassen. Eine eigentümliche Eile.
Wie verhält es sich aber mit der Möglichkeit, ja mit der Pflicht der Stadtverwaltung gegenüber den Bürgern, das neue Einzelhandelskonzept öffentlich auszulegen BEVOR es von den Stadträten beschlossen wird?
Zwei Sorten von Einzelhandelskonzepten
Nun muss man wissen: Ein Einzelhandelskonzept kann eine informelle, unverbindlich-konzeptionelle Form haben. Das ist die eine Sorte von Einzelhandelskonzepten, die man ohne öffentliche Auslegung durch den Stadtrat beschließen kann. Ist erlaubt. Besonders „bürgerbeteiligt“ wäre das freilich auch nicht.
Es gibt aber noch eine zweite Sorte von Einzelhandelskonzepten. Diese schreiben sich ganz konkrete Bauvorhaben ins Papier hinein und begründen sie dort aus städtebaulicher Perspektive. In diesem Fall verliert ein Einzelhandelskonzept seinen informellen, unverbindlichen Charakter und bekommt eine „formelle“, verbindliche Form. Es legitimiert dann das dort konkret verankerte Bauvorhaben rechtlich.
Unser neues, „geschwängertes“ Einzelhandelskonzept
Genau das passiert gerade mit unserem neuen Einzelhandelskonzept: Es trägt das Bauprojekt einer Einzelhandels-Ansiedlung an der B97 in sich und begründet es städtebaulich. Anders gesagt: Es trägt in seinem Bauch einen städtebaulichen Fötus. Damit ist kein informelles Einzelhandels-Konzept mehr, sondern ein formelles, „hochschwangeres“ Konzept, das kurz davor steht, ein bedeutsames Bauprojekt zu gebären.
Der Ausschluss der Bürger, die dummen Schäfchen?
Dass die Stadtverwaltung das neue Einzelhandelskonzept NICHT öffentlich auslegen möchte, sondern es SOFORT vom Stadtrat beschließen lassen möchte macht mich stutzig. Denn sie verweigert damit der (interessierten) Bürgerschaft die Möglichkeit VOR einer rechtsverbindlichen Beschlussfassung das Einzelhandelskonzept selbst zu prüfen.
Weil wir Bürger dumme Schäfchen sind? Weil es nicht so wichtig ist, dass wir da mal als Stadtgesellschaft drüber schauen? Weil es uns überfordert? Weil wir inkompetent sind und nichts von Städtebau verstehen?
Man darf fragen: Wäre das nicht sogar rechtswidrig, was die Stadtverwaltung da gerade treibt?
Baurecht als Schmuggelware?
Der gehobene „Bildungsbürger“ würde in einem solchen Fall fragen: Ist dieses Einzelhandelskonzept vielleicht ein Trick? Ein trojanisches Pferd, mit dem die Stadtverwaltung eine baurechtliche Voraussetzung für ein umstrittenes Bauprojekt – an der kritischen Bürgerschaft vorbei – in trockene Tücher schmuggeln will?
Der „einfache Bürger“ würde fragen: „Legen die uns da vielleicht ein faules Ei ins Nest?“
Und der Volksmund würde fragen: „Werden wir hier verarscht?“
Vertrauensverlust gegenüber der Stadtspitze
Eines scheint mittlerweile deutlich spürbar: Die Spitze der Stadtverwaltung hat im Konflikt um die Neubebauung des WK9 sehr, sehr viel Vertrauen in der Bürgerschaft verloren. Sie agiert nicht mehr neutral. Ich begegne durch meine ehrenamtliche Arbeit in der MiMaH – Initiative Mitmachstadt Hoyerswerda mittlerweile nicht wenigen Bürgern dieser Stadt, die ihre Verbitterung über diesen (nicht-neutralen) Politikstil der Stadtspitze äußern – IN DIESER ANGELEGENHEIT. Ich begegne sogar Angestellten der Stadt, die ihre eigene Verwaltungsspitze diesbezüglich nicht mehr verstehen.
Störende Bürgerbeteiligung
Ich verhehle nicht, dass ich vor allem verärgert darüber bin, wie hier mit „demokratischer Bürgerbeteiligung“ umgegangen wird. Wenn „Bürgerbeteiligung“ nicht stört, wird sie zugelassen. Wenn sie aber stören könnte, schiebt man ihr ein trojanisches Pferd vor‘s Tor?
Ich begegne allerdings auch Bürgern, die ganz gegenteilig sprechen: „Die Stadtspitze ist gewählt worden. Die ist der Chef. Wir brauchen nicht ständig Bürgerbeteiligung. Lasst die doch einfach mal ihren Job machen.“
Städtebauliche Inkompetenz?
Aber was, wenn das Vertrauen der Bürger in die (städtebauliche) Kompetenz der Stadtspitze geschwunden ist? Oder sogar nie da war? Was, wenn die externe Experten mit ihren eindringlichen Warnungen, doch einen Hauch richtig liegen könnten? Sollte man nicht wenigstens DANN die eigene Bürgerschaft mit einbeziehen? Und nicht nur ihre Repräsentanten?
Wird dieser Politikstil jetzt zur Norm in der Stadt? Oder ist er es längst und wir haben es nur nicht bemerkt?