Auf einem Treff von 15 Hoyerswerdaern, die etwas für den Klimaschutz tun wollen, formuliere ich krächzend-stammelnd eine Idee. Die Gruppe wünscht sich Bedenkzeit. Also schreibe ich die Idee mal auf.
Vorweg: Eine ausdrückliche Klarstellung!
Ich werde hier nicht davon sprechen, dass man in Hoyerswerda den Klimanotstand ausrufen soll, sondern ob es sich lohnen würde einen energischen, öffentlichen Diskurs darüber zu führen.
Was ist der Klimanotstand?
Laut Wikipedia wird ein Klimanotstand verstanden als „ein Beschluss von Parlamenten oder Verwaltungen, mit dem sie erklären, dass es eine Klimakrise gibt und dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, diese zu begrenzen. Es geht somit um den Umgang mit der menschengemachten globalen Erwärmung („Klimawandel“). Mit dem Beschluss werden Regierung und Verwaltungen beauftragt, Maßnahmen auszuarbeiten, die über den derzeitigen Stand hinausgehen und versuchen, die menschengemachte globale Erwärmung aufzuhalten.“ Bislang wurde in 62 deutschen Städten und Gemeinden der Klimanotstand ausgerufen. Laut Wikipedia-Liste ist bislang keine sächsische Stadt und Gemeinde dabei.
Welche Phänomene des Klimawandels sind in Hoyerswerda bisher zu beobachten?
Im folgenden stütze ich mich auf Eindrücke, Wahrnehmungen, Berichte und Beobachtungen von Hoyerswerdaer Bürgern. Die Phänomene und ihr Zusammenhang zum Klimawandel sind also wissenschaftlich nicht belegt, sondern Annahme:
a) auffällig hohe, untypische Temperaturen mit langandauernden Trockenperioden
b) eine kritische Wasser-Situation: temporäre Austrockung von Schwarzer Elster, Wudra und Fließ, stark gesunkener Grundwasserspiegel
c) erhebliche Verminderung des Vogel- und Insekten-Bestandes
„Sieben Streiche“ eines energisch geführten, öffentlichen Diskurses für die Ausrufung des Klimanotstands in Hoyerswerda
1. Streich: Eine Stadt – „ausgerechnet“ in einer Braunkohle-Region, die von einer Partei dominiert wird, die den menschengemachten Klimawandel nicht anerkennt – solch eine Stadt könnte überregional starke mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Diskurs könnte zu einer interessanten „Image-Irritation“ führen – unsere Stadt und Region betreffend.
2. Streich: Das lokale, gemeinschaftliche Sprechen und Streiten über Aspekte der Klimakrise könnte erheblich verstärkt werden („Stimmt das überhaupt?“ „Sind wir davon wirklich selbst betroffen?“). Lern- und Wissensprozesse über umstrittene Prämissen und Folgen der Klimakrise könnten sich beschleunigen.
3. Streich: Speziell in der Lausitz geführte „Glaubens“-Konflikte könnten auf ihren Tatsachengehalt öffentlich genauer ausgeleuchtet werden:
a) der Gegensatz von menschengemachtem und naturgegebenem Klimawandel (inklusive Zeitfenster und gefährlichen Kipp-Punkten)
b) der Gegensatz von Klimaschutz und Umweltschutz (Umweltzerstörung durch alternative Energien: z.B. Abholzung von Wäldern für Windräder und Stromtrassen, Vögel- und Insektensterben)
c) der Gegensatz von nur teilweiser und vollständiger Stromversorgung, Energiespeicherung und Netzstabilität durch regenerative Energieformen.
4. Streich: Relevante, stadtpolitische „Klima“-Entscheidungen könnten genauer identifiziert und erforscht, benannt und abgewogen werden („Was kann eine Stadtgemeinschaft für den Klimaschutz überhaupt tun?“)
5. Streich: Bereits bestehende Ideen, Projekte und Initiativen würden in einem neuen Bezugs-Rahmen erscheinen und vielleicht sogar Verblüffung auslösen („Was alles wird in Hoyerswerda bereits für den Klimaschutz getan?!“). Die Bürger könnten motiviert sein völlig neue Felder von Ideen, Projekten und Initiativen „in den Ring zu werfen“.
Eine kooperative Aktivierung der Stadtgesellschaft und ihrer Akteure (Bürgerschaft, Stadtrat, Verwaltung) könnte ausgelöst werden, weil man sich nun „irgendwie“ zum Thema Klimaschutz verhält („Bürgerbeteiligung“).
6. Streich: Auch ein Nachdenken auch über das Verhalten des Einzelnen hinsichtlich der Klimakrise könnte verstärkt werden („Was kann ich persönlich tun?“ „Kann und muss ich überhaupt etwas tun?“)
7. Streich: Hoyerswerda könnte sich im Zuge dieses neuen Diskurses einer streitbar-markanten Stadt-„Story“ annehmen: Erste Oberlausitzer (oder sogar 1. sächsische?) Klimastadt Hoyerswerda!
Der Klimanotstand und das Märchen vom „tapferen Schneiderlein“
Angesichts der regionalpolitischen Atmosphäre und der zu erwartenden enormen Skepsis und Zweifel, Einwände und hämischen Ressentiments, wirkt der Kampf um den Klimanotstand für Hoyerswerda fast aussichtslos und wie eine närrische Don-Quichotterie.
Das mögliche Ringen einer Bürger-Initiative um eine solchen Diskurs erinnert mich deshalb ein wenig an Erzählen des irrwitzigen Schwank-Märchens „Das tapfere Schneiderlein“.
Mit viel Witz und Chupze gelang es dem Schneiderlein auf fast unlösbare Fragen originelle Anworten zu finden:
Wie konnte ich „Sieben auf einen Streich“ erlegen?
Wie gelingt es mir sogar die Aufmerksamkeit eines Königs auf mich zu ziehen?
Wie vermag ich es Wasser aus einen Stein zu drücken?
Einen Stein zu werfen, der nicht mehr zu Boden fällt?
Einen schweren Baum zu tragen?
Wie gelingt es mir im wilden Wald die beiden plündernden Riesen zu töten, das gefährliche Einhorn und das schreckliche Wildschein zu fangen?
Und wie kann ich aus der lebensbedrohlichen Falle der Prinzessin entkommen?
Warum also nicht in Hoyerswerda versuchen, ausgerechnet in der Braunkohle-Lausitz, über solche „märchenhafte Wunder“ zu sprechen und zu streiten? Warum nicht?