Stadtspitze outet sich: Ja zur Neuen Kühnichter Heide!

Am 08.09. fand im Bürgerzentrum von 17 bis 19 Uhr eine Informationsveranstaltung zum neuen Einzelhandelskonzept unserer Stadt statt.

Ein klares Bekenntnis

Erstmals mit einem öffentlich klaren Bekenntnis demonstrierte die Stadtspitze von Hoyerswerda in Gestalt von Oberbürgermeister Ruban-Zeh (SPD) und Bürgermeister Pink (CDU) ihr Ja zum Bau der Neuen Kühnichter Heide. 
Die Argumente des Oberbürgermeisters für die Bebauung: (a) der Grünwald-Ring wird in das Stadtgebiet zurückgeholt; (b) die Verkehrsachse zum Scheibesee wird gestärkt, wo demnächst eine nächste große Bau-Investition umgesetzt wird.
Bürgermeister Mirko Pink: (a) das Zeitfenster ist nur für wenige Jahre offen, um die hohe Arbeitskraft-Nachfrage in Schwarze Pumpe und bei der Bundeswehr-Ansiedlung mit einem entsprechenden Wohnraum-Angebot bedienen zu können; (b) dies rechtfertige den zügigen Neubau des alten, rückgebauten Stadtquartiers trotz weiterhin prognostizierter Schrumpfung, da Hoyerswerda über keinen modernen modernen Wohnraum für mögliche Zuzügler verfüge.
Der Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft, Steffen Markgraf, unterstützte Pinks Argumentation ausdrücklich: Nur attraktiver, neuer Wohnraum sei auf dem Wohnungs-Markt im Wettbewerb um zahlungspotente Zuzügler konkurrenzfähig. Das bewiesen die hohen Vermietungszahlen im neuen Wohnpark „An der Bleichwiese“ in der Altstadt. Der Wohnungsbestand in der „alten“ Neustadt biete dieses Angebot einfach nicht.

Kein argumentativer Austausch eines Für und Widers

Die Mehrheit der ca. 50 Zuschauer schien davon nicht so ganz überzeugt, auch wenn es aus einer Ecke des Saales immer wieder kräftigen Beifall gab. Was zurückbleibt ist ein sonderbarer Eindruck von der Informationsveranstaltung: 
(1) Zu einem wirklichen argumentativen Austausch eines Für und Widers im Fall der beiden konkurrierenden Einzelhandelsstandorte „Neue Kühnichter Heide“ vs. Treff 8 Center kam es gar nicht. Von den 120 geplanten Minuten blieben gerade mal 30 Minuten Diskussionszeit, von denen die drei eloquenten Herren allein 15 Minuten für sich beanspruchten.
(2) Rhetorisch „schlitzohrig“ dabei der Appell von Bürgermeister Pink im Konflikt der beiden angrenzenden Einzelhandelsstandorte Neue Kühnichter Heide vs. Treff 8 Centers endlich zu einem Sowohl-als-auch zu kommen, denn de-facto vertrat er eine der beiden „Entweder-Oder“-Seiten. 
Zu einem Gedankenaustausch eines Sowohl-als-auch kam es gar nicht.
(3) Rasch weggewischt wurde die methodische Kritik der Bürgerin Cornelia Déus am Einzelhandelskonzept. Sie wies darauf hin, dass man im Fall der Abwägung der beiden umstrittenen Einzelhandelsstandorte das Projekt „Neue Kühnichter Heide“ mit den Bewertungsmaßstäben eines hypothetischen Zukunftsszenario untersuchte. 
Beim Treff 8 Center wendete man ein solches Szenario nicht an. Denn auch hier hätte man untersuchen können, was an einem bereits bestehenden Einzelhandels-Zentrum Treff 8 verbessert werden könnte, um den Status eines zentralen Versorgungsbereichs zu erhalten, den es jetzt verliert und der nun zur Neuen Kühnichter Heide übergeht. 
Was gänzlich fehlte, war eine Risiko-Analyse, sowohl für die Neue Kühnichter Heide als auch für das Treff 8 Center.

Zwei ironische Wendungen

Der Vortrag des Gutachters Dr. Kollatz führte zu zwei ironischen Wendungen:
Zum einen fragte man sich nach seinem über 60-minütigen Vortrag und den daran anschließenden Verständnisfragen, warum man einem Einzelhandels-Zentrum „von der Stange“ kombiniert mit Einfamilien- und Mehrfamilien-Hausviertel „von der Stange“ in Stadtrandlage den begrifflichen Anschein eines „urbanes Nebenzentrum“ gibt, obwohl der Einzelhandelsmarkt den Daten nach ausreichend gesättigt wirkte – und wir mit zwei städtischen Hauptzentren ganz gut ausgestattet erscheinen. Die zu erwartende Einwohnerzahl im neuen Quartier wurde auf 250 geschätzt. Offensichtlich herrscht hier ein fantasievolles Verständnis darüber, was „urban“ überhaupt meint.

Zum anderen mutete die Windmühlen-Arbeit der einzigen städtebaulichen Fach-Experten bei der Erarbeitung des Konzeptionellen Neustadtplans als echte Don-Quichotterie an. Die Fachexperten Nico Hoffmann, Jens Gerhardt-Strahl und Dorit Baumeister hatten ausdrücklich für eine Verdichtung sowie einen innovativ-urbanen Umbau der bestehenden Neustadt-Innenbereiche inklusive eines städtebaulichen Wettbewerbs plädiert, nicht aber für eine Vergrößerung des Stadtgebiets in einer Randlage.

Der verblüffende Zukunftsoptimismus der gestern aufgetretenen Herren-Riege machte somit den Eindruck, dass das GeREHK und die Empfehlungen der Fachexperten für unsere Stadtspitze keineswegs der strategische Kompass für die Neustadt sind. 
Stattdessen wird vermutlich je nach Investor eine „einfallsreiche“ Mischung aus Abriss und Neubau bevorzugt: „Fortschritt ist da wo Baukräne stehen“, sagte Bürgermeister Pink, und der Schalk ergänzt: „Und er ist im Fall von Hoyerswerda da, wo der Abrissbagger arbeitet.“

Wenn Sensibilität, Glaube und Überzeugung fehlen

Knallharte Marktwirtschaft und Demokratie scheinen in diesem Konflikt einfach nicht zusammenzupassen, schon gar nicht, wenn eine Stadtverwaltung erstens so geschlossen etwas durchsetzen (Neue Kühnichter Heide), zugleich zweitens etwas verhindern will (Stärkung des Einzelhandels im Treff 8 Centers) und drittens keine angemessenen Mittel findet, aus der starken Skepsis der Einwohnerschaft konstruktive Impulse zu übernehmen. 
An einer echten Zukunftsvision für die Neustadt zu arbeiten, diese Kraft scheint die Stadtspitze nicht zu haben. Sie agiert „reaktiv“ auf das, was sich bietet und nennt es „pragmatisch“.

Man muss leider, leider konstatieren: Der Stadtspitze wirkt so, als fehle es ihr in diesem Konflikt an Sensibilität, Glaube und Überzeugung, dass man gemeinsam mit der Einwohnerschaft Lösungen finden könnte, die mitreißende Lust auf die Umgestaltung der Neustadt machen und die einen echten Ruck erzeugen. 
Lässt man das Agieren der Stadtspitze in diesem Konflikt Revue passieren, so scheint sie sich wenigstens durchgerungen zu haben, endlich mal öffentlich Klartext über das zu sprechen, was vermutlich schon seit 2022 feststand: Sie wollte das Projekt unbedingt. 
Um so kurioser wirken im Nachhinein all die aufwendigen demokratischen und bürokratischen Schattenspiele, um einerseits die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen und es andererseits die Bürgerschaft davon zu überzeugen.

Eine unprofessionelle, naive Vorstellung von Bürgerbeteiligung

Nicht nur auf dem Themenfeld der Stadtplanung – so zeigt dieser Konflikt – auch auf dem Themenfeld der Bürgerbeteiligung scheint die gegenwärtige Stadtspitze den alt bekannten konservativen Ansatz zu verfolgen: „Die Einwohnerschaft will einfach nur regiert werden“. 
Vieles spricht dafür, dass die Bedeutung einer partizipativen Demokratie in den Köpfen der Stadtspitze nicht wirklich angekommen ist. Sie scheint eine ungeliebte Variante der Demokratie zu sein, die nur lästige Arbeit macht und man darf fürchten, dass diese neue Demokratie-Variante mit einer naiv aufgefassten Bürgerbeteiligung verwechselt wird. 

Partizipative Demokratie meint nämlich etwas anderes: Sie sucht bewusst die Kooperation von mitunter unversöhnlich erscheinenden Gegensätzen zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Fachexpertise (Wissenschaft). Die Politikwissenschaft nennt dies „antagonistische Kooperation“. 
Im Fall des Einzelhandelskonzepts ist das nicht gelungen. Anders bei der Erstellung des Gesamtstädtischen Regionalen Entwicklungs- und Handlungskonzeptes (GeREHK), wo man es ansatzweise probierte. 

Unsere Stadtverwaltung spiegelt so gesehen nur wider, was bundesweit gilt: Echte partizipative Demokratie muss den Mächtigen insbesondere seitens der Zivilgesellschaft in mühevollen Kämpfen abgerungen werden. 
Oder es wird sie nicht geben und die autoritären Formen der Demokratie gewinnen weiter an Oberwasser, bis schlimmstenfalls die Demokratie selbst verschwindet.

Mit dem bisher gängigen Modell der „repräsentativen Demokratie“ scheinen wir die Akzeptanz der Demokratie jedenfalls langfristig an die Wand zu fahren. Auch in Hoyerswerda. Dies bedrohlich sichtbar zu machen scheint die eigentlich unbewusste Leistung der AfD bei den Wahlen zu sein. Auch in Hoyerswerda. So gesehen haben Stadtspitze und Gutachter der Demokratie in Hoyerswerda einen echten Bärendienst erwiesen. 

Erst mit diesem noch wenig geübten, neuen Demokratie-Modell, so wie wir es bereits in zwei Formaten ausprobierten – im „Kommunalen Entwicklungsbeirat“ und im kooperativen Modell der „NewCityConcepts“ – erst in solchen experimentellen Formaten könnten sich Bürgerinnen und Bürger als echte und nicht nur formale Mitgestalter ihrer eigenen Angelegenheiten erleben.
Was partizipative Demokratie bedeutet – das ist der bedauerliche Eindruck der gestrigen Informationsveranstaltung – davon versteht die Stadtspitze in Hoyerswerda genau soviel wie von Stadtplanung.