Die Städtebau-Schule von Architektur-Studenten in Hoyerswerda produzierte eine Reihe interessanter Ideen.
Hilft ja nichts: Auch wenn ich’s selbst nicht so fühle, auch wenn ich’s immer wieder anderes von Hoyerswerdaer Bildungsbürgern höre: Das alles sei übertrieben, nur „relativ“ und gar nicht sooo „polar“ mit dieser Spaltung. Die Taxifahrer jedoch, die mich regelmäßig zu meiner Therapie von der Altstadt in die Neustadt zur Hoyreha fahren, scheinen mir ein guter Seismograph. Und die sagen mir: die Stadt ist gespalten und die Bürgerschaft ist es auch, in diesseits und jenseits der Elster lebende und fühlende Bürger. Upps!
Nun überlege ich, wann bist du eigentlich auf der anderen Seite – als Altstädter in der Neustadt? Ich habe ein Konzert-Abonnement für die Lausitzhalle, sechs Aufführungen in zehn Monaten. Da gehe ich also hin. Die Bibliothek ist auch auf der anderen Seite. Der Ablauf der Buch-Verlängerungen bestimmt den Rhythmus der Besuche dort. Ich durchquere auf qualvoll holprigen Folter-Radwegen mit meinem Therapiedreirad die Neustadt auf dem Weg zum Scheibe-See, den ich diszipliniert zweimal die Woche umrunde. Den neuen Elster-Dammweg zwischen Bautzener und Görlitzer Brücke habe ich mir als Trainingsstrecke für meine Gehübungen auserkoren. Doch nur wenig „Gebrauchswert“ finde ich sonst noch „da drüben“: Eine vergnügliche Singenacht, einen filmischen Spaziergang, einen Besuch im ZCOM-Museum, eine Beerdigung. Das Stadtfest mied ich und hörte von Altstädtern, die sich hinbegaben: Fressbuden, schlechte Musik, Hartz4-„Horden“. Wer immer damit gemeint ist – ich war ja selbst zweimal sechs Monate ein Hartz4-er. Stopp! Jetzt dämmert mir’s, worauf mich die Taxifahrer hinweisen wollen: Auf ein soziales Gefälle in der Stadt? Auf eine Spaltung, die man – irrtümlich – im Gegensatz von Altstadt und Neustadt symbolisiert sieht? Na wie auch immer.
Dass dieser Eindruck der Spaltung Geltung zu haben scheint, bezeugt der kürzlich durchgeführte studentische Architektur-Workshop „Brückenschlag“, der auf Initiative des Altstadt-Citymanagements zurückgeht und der sich mit der Überwindung der Teilung beschäftigte. Dass der Workshop nicht von der Neustadt ausging, wundert nicht, denn die hat gar kein eigenes Quartiers- oder Citymanagement. Worin sich schon mal eine strukturelle Trennung zeigt. Oder gar eine lokalpolitische „Unachtsamkeit“? Nun beweist das Altstadt-Citymanagement, dass es prägnante Zeichen setzen kann: Seit die umtriebig-energiegeladene Architektin Dorit Baumeister mit einer halbe Stelle in dem Laden ist, wuppen die nämlich gleich den zweiten großen Knaller innerhalb von wenigen Monaten! Nach dem „Boulevard Kirchstraße“ nun den „Brückenschlag“. Man stelle sich vor, die Neustadt hätte auch ein eigenes Citymanagement oder das der Altstadt bekäme die Kompetenz für die Gesamtstadt. Was wäre da alles möglich? Oder wirken hier unterirdische (Des-) Interessen, von denen ich Stadt-„Grünling“ nichts weiß?
Was nun das Projekt „Brückenschlag“ betrifft, so landete es meiner Ansicht nach einen Volltreffer ins Schwarze. Ich lese in der Projekt-Ausstellung, die man noch bis morgen in der Orange Box besichtigen kann: „Viele Qualitäten der Stadt (…), die lebendigen kulturellen Angebote und das rege Vereinsleben müssen Außenstehenden nähergebracht und für alle erfahrbar werden. Was ist dafür mehr geeignet als eine intensivere gemeinschaftliche Bespielung des öffentlichen Raumes? (…) Kleine Experimente und Aneignungen von verschiedenen Räumen haben Tradition in Hoyerswerda. Warum können diese nicht gebündelt in die Mitte ihren Platz bekommen?“ Und dann legen die Studenten prompt einen tollen Katalog von Werkzeugen und Ideen hin. Gehen Sie mal in die Orange Box! Sie werden vor Staunen die Backen blähen! Jedoch, bevor hier wieder was verpufft, müsste die kreative Beschäftigung mit den Umsetzungsbedingungen dieser verrückten Ideen umgehend in den lokalpolitischen Fokus gerückt werden.
Mein Mitkolumnist Frank Seifert, der Chef des Gewerberings Stadtzukunft, fantasierte: „Man müsste die Landesgartenschau nach Hoyerswerda holen. Die hat richtig Geld im Fördertopf!“ Wie das tapfere Schneiderlein könnte man gleich mehrere Fliegen, also „grüne“ Konzepte, die schon lange in der Stadt umhergeistern, gleich mit aufs Marmeladenbrot locken… Klar ist, die Tatkraft einer sehr speziellen städtischen Gruppe ist jetzt gefragt: Die politische „Klasse“ von Hoyerswerda – Parteien, Stadtrat und Stadtverwaltung. Dürfen wir Bürger darauf ernsthaft hoffen? Auf einen nachhaltigen, kooperativen Ruck, der durch unsere lokalpolitische Elite geht? Oder bleibt es bei einer kurzen, beifälligen Vibration? Beim Knistern – eines Strohfeuers? Oder geht da jetzt doch irgendwer mit irgendwem voran? Na?
(veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung/Hoyerswerdaer Tageblatt 13./14.10.18)