Auf dem Weg zur Bürgerkommune?

Hoyerswerda hat Instrumente zur Beteiligung der Einwohner an politischen Prozessen. Die Frage ist, ob sie ausreichen.

Im Januar habe ich den Ball gegen den Pfosten geschossen als ich von drei resignierten Stimmgruppen zur Lage der Bürgerbeteiligung in Hoyerswerda berichtete und dann trötete: Man sollte vielleicht weniger auf die Bürger schauen, sondern genauer auf das System der Bürgerbeteiligung. Nun liegt der Ball wieder vor meinen Füßen, und zwar samt der Frage: Wie sieht dieses System hier eigentlich aus?

Stochern wir zunächst mal im Begriff herum. Und spüren auf, was in dem Wortpäckchen so drin steckt. Es schwingt „semantisch“ etwas Gönnerhaftes mit, nach dem Motto: „Okay, wir beteiligen mal die Bürger. Aber müssen… müssten wir eigentlich nicht. Geht auch ohne ihn.“ So, als ob  Bürgerbeteiligung nichts Selbstverständliches wäre. So, als wäre der Bürger nicht der eigentliche Souverän der Stadt, sondern Objekt einer „höheren Macht“. Wem aber außer ihm gehört die Stadt? Der Verwaltung? Oder einer kleinen, ominösen Gruppe von Leuten, die arglistig auf dem Hoyerswerd’schen Kutschbock lümmeln und dem Gespann die Richtung weisen? Mit Zügel, Peitsche, Scheuklappen und Hafersack? Aber wer sollte das sein? Mit mehr Wohlwollen kann man im Wort auch eine Not herausspüren. Als wäre „jemand“ angewiesen auf das Mitmachen der Bürger. Angewiesen auf den Brückenschlag zwischen denen, die Hoyerswerda gemeinsam verantworten: die Stadtverwalter und Parlamentarier einerseits und die Wahlbürger andererseits, welche sich davon entlasten, indem sie erstere wahlperiodisch mit der ganzen Malaise beauftragen.

Weiter: Wie sieht die Form der Beteiligung aus? Welches Brücken findet der engagierte Bürger vor? An wen könnte er sich mit seinen „Anliegen“ wenden? Erstens an unsere freundlichen Verwaltungsbürger (z.B. mittels Kontaktformular auf der beträchtlich verbesserten Stadtwebsite). Zweitens an jeden einzelnen der 30 gewählten, emsigen Stadt-Parlamentarier. Drittens an die lokalen Parteien und Vereinigungen. Viertens an die Versammlung aller Stadt-Parlamentarier, also die Stadtratssitzung. Fünftens an die parlamentarischen Fachausschüsse, zurzeit gibt es neun davon. Sechstens an die vier städtischen Beiräte, also Seniorenbeirat, Behindertenbeirat, Beirat für sorbische Angelegenheiten, Jugendstadtrat). Oder seitens an die Zusammenkünfte der Ortschafsräte. Das System scheint üppig, aber ist es auch erfolgversprechend?

Unser kollektives Internetlexikon beschreibt„Bürgerbeteiligung“ umgekehrt, und zwar aus der Sicht der Verwalter und Parlamentarier. Es heißt da: Sie sei ein Spektrum von „Verfahren mit wachsender Einflussnahme der Bürgerschaft.“ Fünf Stufen der Beteiligung werden hierbei unterschieden: 1. Die Information, damit der Bürger „Probleme, Alternativen, Möglichkeiten und Lösungen besser versteht“. 2. Die Konsultation, das „Einholen einer Rückmeldung zu Analysen, Alternativen und Entscheidungen“. 3. Das Einbeziehen, die „direkte Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit (…), um sicherzustellen, dass die öffentlichen Anliegen und Erwartungen konsequent verstanden und berücksichtigt werden“. 4. Die Kooperation, die „Partnerschaft mit der Öffentlichkeit in jedem Aspekt der Entscheidungen“. Eingeschlossen „die Entwicklung von Alternativen und die Auswahl entsprechender Lösungen“. 5. Die Ermächtigung. Die endgültigen Entscheidungen liegen hier „in den Händen der Öffentlichkeit selbst“. Schauen wir nun auf uns. Im Fall der Entwicklung des Leitbilds „Hoyerswerda 2030“ darf man feststellen: Hier hat es Bürgerbeteiligung in dieser Form gegeben! Und zwar: Information. Konsultation. Einbeziehen. Für den Handlungskonzept-Teil gilt das jedoch nicht so sehr. Hier gab es „Information“ und „Konsultation“. Die Hoyerswerdaer Stadtpolitik ist also in diesem Fallbeispiel einen deutlichen Schritt auf die Bürgerschaft zugegangen – hinein eine neue Form der Bürgerbeteiligung.

Es gibt noch eine weitere, radikale Form der Bürgerbeteiligung: Die „Bürgerkommune“. In Deutschland werden nur vier Kommunen dafür genannt: Potsdam, Berlin-Lichtenberg, Hamm und Köln. Da werden interessante strukturelle Versuchsanordnungen erwähnt wie: „Bürgerkommissionen“. „Bürgerhaushalt“. „Bürgerinitiativen in den Stadtteilen“„Bürgerbeteiligungsräte“. „Kommunale Koordinierungsstelle“. “Webseite der Bürgerkommune“. Spitzen wir die Frage zur Lage der Bürgerbeteiligung in Hoyerswerda zu und fragen naiv und unbedarft: Braucht Hoyerswerda inhaltlich ein noch höheres Maß und strukturell eine neue abgesicherte Form von Bürgerbeteiligung? Oder ist vielleicht alles gut so, wie es ist? Wäre es sinnvoll Hoyerswerda zur ersten sächsischen „Bürgerkommune“ umzubauen? Was meinen Sie?

(veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung/Hoyerswerdaer Tageblatt 10./11.02.18)