Bis zum 11. Januar können sich die Hoyerswerdaer über den ersten Bürgerhaushalt Investitionen wünschen
Meine monatlich mir zur Verfügung stehenden 600 Kolumnen-Wörter wollte ich diesmal eigentlich nutzen um einen richtig schönen Verriss der Weihnachtszeit zu schreiben: Über das rituelle Fressen bis zum Abwinken, über die wochenlang nervigen Weihnachtssongs mit ihrem Merry-Christmas-Geseier. Und ich wollte dann gleich noch eins draufsetzen zum bevorstehenden Silvester-Gesaufe und -Geballer. Jedoch! Als braver, verantwortungsvoller Bürger der Stadt hat mich dann doch die Pflicht überwältigt.
So gibt es keine persönlichen Horrorgeschichten, sondern eine dringliche Erinnerung! Und zwar in einer Angelegenheit, die sich in dreizehn Tagen erledigt hat. Entweder gehaltvoll und glorreich. Oder mit Schimpf und Schande. Bis zum 11. Januar ist nämlich der Weihnachtsmann aus der Dresdner Staatskanzlei noch bei uns. Und der sagt: Ihr dürft euch noch was wünschen! Im Klartext der Amtssprache: Bis dahin dürfen wir Vorschläge für den Bürgerhaushalt 2019 einreichen. Sie erinnern sich? Vorschläge mit einer Geldwert-Summe von ausnahmsweise zweimal 70.000 Euro, weil die ungenutzten Gelder von 2018 ins neue Jahr übergenommen werden dürfen. Über die Geschenkliste stimmen wir dann im Februar öffentlich ab.
Jedoch, sagt der Weihnachtsmann, muss jeder einzelne Vorschlag folgende Kriterien erfüllen, damit er überhaupt auf die Wahlliste darf: 1. Er muss mehreren Bürgern zugute kommen und 2. realisierbar sein. 3. Er darf keine Folgekosten erzeugen und 4. kein Vereinszuschuss sein. Wir, die große unübersichtliche Stadtfamilie, wir müssen uns also flugs aufraffen und rasch über unseren lustigen, geselligen Stadthaufen nachdenken und fragen: Was für sinnreiche Geschenke im Wert von 140.000 Euro könnten wir denn 2019 noch gebrauchen? In diesen Kriterien versteckt sich ein eigentümlicher Widerspruch, den wir angehalten sind zu lösen: Wir wissen ja, das bürgerschaftliche Herz einer Stadt sind die sozialen und kulturellen Aktivitäten ihrer Vereine. Einzelkämpfer sind in der Regel selten und auch verloren. Kooperative Kreativität ist gefragt, fachsprachlich „Ko-Kreativität“. Was bleiben uns denn nun aber wegen des Verbots des Vereinzuschusses für Vorschläge übrig? Vorschläge zur einmaligen Herstellung und Verbesserung von öffentlicher Sauberkeit und Ordnung oder der Bau von folgekostenfreien Spielplätzen oder Trimm-dich-Pfäden?
Ich finde: Denken wir bitte auch an „geistige Produkte“ wie kleine charmante Zeitzeugen-, Film-, Musik-, Buch- und Veranstaltungs-Projekte. Denken wir aber auch an die personellen und sachlichen Voraussetzungen für die Bürgerbeteiligung selbst! Wie es für die Stadträte Aufwandsentschädigungen gibt, sprich Sitzungsgelder, so gibt es für ehrenamtliche Tätigkeiten die sogenannte Ehrenamtspauschale. Googeln sie das mal! Sie werden staunen, was da so alles möglich ist, wenn man listig die Vorschriften zu nutzen versteht! Man könnte so Ehrenamtsposten über den Bürgerhaushalt finanzieren. Mein persönlicher Wunsch wäre die Beauftragung einer smartphone-tauglichen Website, auf der alle unsere Vereine endlich mal überschaubar sichtbar werden: mit eigenem Profil und mit einem vereins-offenen Planungs- und Veranstaltungskalender. Damit wir mitkriegen, was einzelne Bürgergruppen hier in der Stadt so planen und tun. Inhaltlich von zwei oder drei ehrenamtlichen Rechercheuren zusammengetragen. Ins Netz gestellt von einem Webdesigner-Profi. Gepflegt von ehrenamtlichen Online-Redakteuren. Möglicherweise wird dann deutlich, was ich schon länger in Hoyerswerda vermisse… Oder vielleicht nur nicht mitbekommen habe? Ich frage jetzt mal: Braucht Hoyerswerdas Vereinslandschaft neben ihrer Vereinsmesse, dem „Markt der Möglichkeiten“ nicht mal einen großen „Vereinsgipfel“? Wo man am runden Tisch miteinander redet und fantasiert? Könnte der Bürgerhaushalt hier nicht ein wenig aushelfen? Indem er die Infrastruktur der Vereinslandschaft investiert, trotz des Zuschuss-Verbots so etwas auf die Geschenkliste schmuggelt?
Und da wäre noch ein Wunsch! Ich finde ja, die Stadtpolitik sollte, wenn sie’s der „Steuergruppe“ nicht schon übertragen hat, einen Schritt weitergehen und so etwas wie einen ehrenamtlichen Bürgerhaushalts-Ausschuss initiieren, der sich das ganze Jahr um den Bürgerhaushalt kümmert und der auch eine Ideenkonferenz zum Bürgerhaushalt 2019 durchführt. Und deren Mitgliedern man, wie den Stadträten auch, eine Aufwandsentschädigung zugesteht. Also liebes Publikum, wenn sie dann ausgenüchtert ins neue Jahr stolpern, denken Sie dran: Weihnachten ist dieses Mal erst am 11. Januar zu Ende!
(veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung/Hoyerswerdaer Tageblatt 29./30.12.18)