Ideen der Hoyerswerdaer werden manchmal Realität. Aber reicht das schon aus?
Auf zwei bedeutsame Rollenbilder verwies Kolumnistenkollege Frank Seifert vor zwei Wochen, in welche wir Bürger schlüpfen müssten, wenn der Stadt mit dem „schwersten Transformationsprozess in ganz Deutschland“ die Zukunft glücken soll. Zwei Rollenbilder, die schlicht klingen, die es aber in sich haben: „Die Zeit ist günstig, dass Konkretes umgesetzt wird. Aber weder die Bürger noch unsere Verwaltung oder der Stadtrat dürfen darauf warten, dass die Dinge sich von außen, von oben oder von wo auch immer her wandeln. Dafür brauchen wir Macher und Mitmacher.“
Macher und Mitmacher. Egal, ob sie aus den Reihen der Verwaltung, der Stadträte oder der Bürgerschaft kommen. In den letzten Wochen fühlte sich das „stadtklimatisch“ gar nicht so schlecht an. Sieben Wochen ist es her, dass ich im leerstehenden Centrum die letzte begeistert beklatschte Aufführung von „Eine Stadt tanzt: Manifest!“ erlebte, auf welcher der gastgebende Lausitzcenter-Chef vor den versammeltem Leuten eine sehr emotionale Rede hielt. Ich muss gestehen, auch wenn’s mich ergriff, mein zäher Skepsis-Virus lieb mir treu. Euphorisierte Zuschauer, adrenalin-trunkene Tänzer, Sänger und Schauspieler, ein freudig erregter „Ermöglicher“, dem man aufrichtigen Dank zollte. Alle betört von der typischen Eigendynamik sechs gelungener Aufführungen.
Zugegeben, das Tanzstück kulminierte in einem aufwühlenden „Manifest der Bürger“, die als entfesselte Besen einem hilflosen Goethe’schen Zauberlehrling so sehr zusetzen, dass dieser schier in Verzweiflung geriet. Knapp 60 Bürger-Ideen, die in den letzten Jahren in der Stadt herumgeisterten, wurden im Text verbraten. 60 auf einen Streich! Wer wollte da nicht glauben, dass man tatsächlich was in einer gebeutelten Stadt wie Hoyerswerda reißen könnte. Was aber hat eine kurze Gefühlsaufwallung mit unserer Stadt-Realität zu tun? Wie sehr täuscht und trickst Kunst uns dann doch mit einer „großen Illusion“? Als wollte mich die Stadtrealität belehren und bekehren, erschien gleich am darauffolgenden Montag eine erste dieser „Manifest“-Bürgerideen umgesetzt: „Der Boulevard Kirchstraße“, dessen vierwöchige Testprojekt startete. Ich erinnere mich noch, wie ich staunend in einer Brainstorming-Runde zwischen Gewerbeverein und Kulturfabrik saß, als diese Idee geboren wurde.
Recht zügig zogen die neue Citymanagerin Dorit Baumeister und ihr Mitstreiter die Idee dann einfach durch. Eine umstrittene, unbequeme Macherin, von der man weiß, wenn die was anpackt, dann hat es Hand und Fuß. Eine Frau, die auf ihrem neuen Posten erst bestätigt wurde, nachdem das eigentümliche Unbehagen aus dem Stadtrat gegenüber Baumeister vom Gewerbeverein gebrochen wurde… Drei Wochen später nahm eine zweite „Manifest“-Bürgeridee eine entscheidende Hürde: Das Musik-Projekt „Hoyerwerdaer Platte“ mit Songs aus und über Hoyerswerda übersprang die notwendige Spendenschwelle von 2.000 Euro. Die CD wird nun endlich produziert. Angeführt von einem jungen, stürmischen Macher, der hier in der Stadt gerade seinen Job, den er sehr liebte, verloren hatte. Sein Ex-Arbeitgeber hatte ihm mangelnde professionelle Distanz vorgeworfen oder – anders ausgedrückt – zu große Empathie mit den behinderten Mitarbeitern in seinem Job. Er ist ein Macher, dem man leichtsinnig die Grundlage seiner Erwerbstätigkeit hier in der Stadt entzog.
Beide Projekte wurden unterstützt von der Stadtpolitik. Machern wird also geholfen? Das magische Dreieck Verwaltung, Stadtrat und Bürgerschaft kann doch funktionieren? Warum fühle ich aber wie Frank Seifert, wenn er schreibt: „In der Phase der Leitbilderstellung vor mehr als einem Jahr hatten wir eine solche Kreativität auch in der Stadt – leider tut sich da in den letzten Monaten wenig.“ Täuschen wir beide uns? Bin ich Opfer meines Skepsis-Virus, wenn ich trotz der zwei umgesetzten „Manifest“-Ideen nicht so recht die Veränderungs-Energien in der Stadt spüre? Leide ich an einer Wahrnehmungsstörung? Oder will diese Energie einfach nicht zünden? Weil die Kanäle zwischen Ideen, Machern und Mitmachern immer noch verstopft sind? Weil weiter das gleichmäßige Klappern der Verwaltungs-Mühle und das sonore Sitzungs-Raunen der Stadträte den politischen Grundton in der Stadt bestimmen und nicht kreative Unruhe, die anzeigt, dass die verborgenen Potentiale einer Kommune explodieren wollen? Spüre ich nichts, weil wir weiter zu sehr in den muffigen Rollen vom gebildeten Zyniker, besserwisserischem Nörgler und uninspiriertem Skeptikern feststecken? Und wir uns nicht gemeinsam lustvoll hineinstürzen in andere Rollen, die auch in uns schlummern: Kauzige Kreative, pragmatische Macher und fleißige Mitmacher?
(veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung/Hoyerswerdaer Tageblatt 21./22.07.18)