Die Bewerbung der Stadt zur Landesgartenschau 2025 erscheint als Symptom eines kommunalen Politikstils, der schleunigst in die Mottenkiste gehört.
Im Winter 2016/17… ein halbes Jahr, nach dem ich als eingefleischter Berliner hier in Hoyerswerda nicht ganz freiwillig strandete und zähneknirschend akzeptierte: Okay, versuchen wir es mit dieser merkwürdigen Stadt als Lebensmittelpunkt… im Winter 2016/17 rauschte ich neugierig hinein in die Bürger-Werkstätten zum Leitbild Hoyerswerda 2030.
Rebellische Bürger aus dem WK3 hatten angesichts der öffentlich bekannt gewordenen Abriss-Maßnahmen in ihrem zentrumsnahen WK den Oberbürgermeister vor sich hergetrieben und ihn veranlasst, das vorhandenen Leitbild, das einige Jahre zuvor amtlich bestellt, aufgesetzt und bezahlt wurde, nochmals durch die Bürger selbst verhandeln zu lassen.
Als interessierter Neubürger nahm ich ab dieser Zeit halbwegs aufmerksam mit strategischer „Geduld“ die Vorhaben der Stadtentwicklung wahr, wenn ich sie denn unter die Augen bekam. Einmal hörte ich davon, dass man den Scheibesee städtebaulich an die Stadt anbinden will. Ich lese von der „Band-Stadt Altstadt-Neustadt-Scheibesee“. Mit meinem Therapie-Dreirad strample ich mich nun durch die Neustadt durchs FKO, Kühnicht, Klein Zeißig, bis zu diesem ominösen Tagebau-See, um ein Gefühl für den „Körper“ der Stadt und ihre Proportionen zu bekommen – jenseits der Elster. Und ich dachte, ganz schön langes Band bis zur westlichen Stadt-Grenze. Aber cool. Macht Sinn.
Irgendwann zu dieser Zeit, also vor drei Jahren, lese ich in einer TAGEBLATT-Kolumne von Frank Seifert, dem Chef des Gewerberings Stadtzukunft e.V., dass die Stadt sich zur sächsischen Landesgartenschau (LAGA) bewerben sollte. Bei Wikipedia lese ich von Kriterien als wären sie erfunden für die Stadtentwicklung von Hoyerswerda zur „Band-Stadt“. Sie erscheint mir tatsächlich als geeignetes Instrument, das nicht nur endlich Musik in die wundgeschredderte Neustadt bringen, sondern das Konzert bis knapp vor den Haus-See ausweiten könnte.
Nur muss man wissen, die Landesgartenschau in Sachsen wird alle drei Jahre ausgetragen. Die Bewerbungsfrist für das Jahr 2025 läuft im Herbst 2020 aus. Im Herbst 2019, höre ich plötzlich davon, dass sich die Stadt nun doch zur Landesgartenschau 2025 bewerben möchte. Ich stutze, wird verdammt knapp, denke ich.
Im Juli 2020 lese ich, dass sich der Stadtrat einstimmig für die Bewerbung mit dem Areal des Gondelteichs entschieden hat. Ist das nicht ein verhältnismäßig „unwichtiges“ Areal an der südlichen Stadtgrenze? Hilft das der Idee vom noch mächtig durchlöchertem „Stadt-Band“? Ist das nicht so als baute man ein Stadion in die Pampa? Was hat dieses Areal mit unserem infrastrukturell brüchigen Stadtalltag zu tun? Ich raufe mir die Haare, je länger ich über diesen Standort und die Vorgehensweise der Bewerbung nachdenke…
In einer Presseerklärung der Stadtverwaltung lese ich am 04.08.: „Auch andere Flächen wurden im Vorfeld untersucht, konnten aber bei den Fakten Lage, Naturausstattung, Wegeinfrastruktur und technischer Erschließung nicht überzeugen.“ Wen nicht überzeugen? Ich habe keine Ahnung, tappe im Dunkeln, bin Empfänger von spärlichen Informationen, die ich weder hinterfragen noch prüfen kann. Zumindest ohne großen Aufwand. Und außerdem ist es sowieso zu spät.
Ich empfinde mich als Hampelmann-Bürger kommunaler Politik.
In der gleichen Presse-Erklärung lese ich: „Nun gilt es, weitere Ideen und Wünsche für die Landesgartenschau-Bewerbung der Stadt Hoyerswerda zu sammeln. Hiermit sind die Hoyerswerdaer Bürgerinnen und Bürger, die Vereine und Unternehmen aufgerufen, der Stadtverwaltung Hoyerswerda ihre Ideen, Hoffnungen und Wünsche mitzuteilen“. Ich schaue auf die Frist: 17 Tage! Ich weiß nicht ob ich mir jetzt die Haare ausreißen oder lachen soll. „Die spinnen doch!“ denke ich.
Ich ertrage es kaum noch. Im September sind Oberbürgermeister-Wahlen. Bis auf eine Kandidatin sind alle Kandidaten Stadträte. Ich lese und höre ständig von „Bürgernähe“, „Bürgerdialog“, „Bürgerbeteiligung“. Letztes Jahr im Mai war ich hier zum erstenmal wählen. Voller Hoffnung nach diesen so erfolgreich abgeschlossenen Stadtwerkstätten zum Leitbild 2030, die mich glauben machten, in Sachen Bürgerbeteiligung hat diese Stadt endlich den Rubikon überschritten. Eine Selbsttäuschung? Augenwischerei? War diese fatale Prozess-Logik im Fall der Landesgartenschau-Bewerbung, die nun de facto ohne Bürgerbeteiligung abläuft, nicht von Anfang an abzusehen? Egal, welches Areal nun das richtige ist. Eine öffentliche Debatte darüber wäre Pflicht gewesen. Wissen die Stadträte, unsere Volksvertreter nicht, was eine Trommel, eine Pauke, eine Hupe ist? Oder ein Alarmknopf?