Hoyerswerda verändert die Einstellung unseres Kolumnisten zu einem Ehrentag im März
Gemocht habe ich den Tag nie. Vielleicht weil ich als Kind von meiner strengen Lehrer-Mutter genötigt wurde zum internationalen Frauentag Geschenke zu basteln. Artig stand ich dann am 8. März mit hochrotem Kopf vor den Frauen meines Kinderlebens und schenkte ihnen bemalte Holzlöffel, Brettchen mit eingebrannten Verzierungen oder expressive Blumentuschgemälde. Eine internationale Frau war nie dabei.
Als ich dann über 20 war und meine Armeezeit überstanden hatte, plagte mich der Tag noch etliche paar Jahre – mit schlechtem Gewissen. Wie einen Weihnachtsmann, der seine Geschenke vergessen hatte. An diesem Tag fiel mir auf, wie viele Frauen es eigentlich gab. Später dann, nach der Wende, war ich mit aufgeklärten Ostfrauen zusammen, die, wie ich genervt von diesem Tag, mich ausgelacht hätten, wenn ich… Zudem schien die befremdliche Westkultur diesen Märztag konsequent zu ignorieren. Als wäre er von der Gastronomie- und Blumenwirtschaft auf zwei neue Frauen-Tage aufgeteilt worden: Auf den Valentins- und den Muttertag. Damit war der 8. März für mich ausgemerzt und ausreichend ersetzt. Für viele Jahre.
Seit ich in Hoyerswerda lebe, ändert sich meine Haltung zu diesem unschuldigen Tag. Ich habe keine Ahnung warum. Vielleicht, weil ich allein lebe und für den Valentinstag über keine Angebetete mehr verfüge. Vielleicht, weil meine Mutter weit weg in Berlin lebt und ich meine Dankbarkeit nicht an einem einzigen Sammeltag abrechnen mag. Dennoch sehe ich mich täglich von Frauen umzingelt, die mir nicht egal sind und die mich irritiert angucken würden, wenn ich ihnen das am Mutter- oder Valentinstag zeigte. Ich habe einigen gegenüber sogar eine merkwürdige Marotte entwickelt. Ich verpasse ihnen Beinamen: Weiße Fee. Dunkle Fee. Hohe Dame. Prinzessin auf der Erbse. Schwarze Domina. Zähe Feldkatze… Neugierig checke ich diesen einst so verpönten Märztag auf seine Brauchbarkeit hin ab.
Nochwas macht mich für diesen Tag wach. Das sind die Geschichten von Frauen, die ich hier aufschnappe und in denen gehäuft Männer eine „toxische“ Rolle spielen: Eine junge Mutter, die ihren Freund verlassen will, weil der sich stoisch wie ein Pascha aus dem Beziehungs- und Familienalltag raus hält. Als sie sich durchringt, auszubrechen, erpresst er sie: Geh! Aber! Die Kinder bleiben bei mir! Als Anwaltsohn schüchterte er sie ein. Oder: die Geschichte eines don-juanesken Ehemannes, der aus devoter Loyalität seiner überängstlichen Ehefrau gegenüber die aufopferungsvolle Freundschaft mit einer Frau verrät, die fast verrückt wird an seinem eiskalt-feigem Verrat. Oder: die Frau, die von einer zweijährigen Affäre ihres Mannes erst erfährt, als dessen verzweifelte, jüngere Geliebte vor der Tür steht. Oder die naive Ehefrau, deren Mann sie in einen neuen Umschuldungskredit auf das Haus lockt, um sie wenig später wie einen alten Schuh vors Haus zu stellen… wegen einer anderen. Oder: die intelligente Mittvierzigerin, die resigniert konstatiert: „Wenigstens der Sex mit ihm ist okay.“ Wie bitte? Haben Sie schon mal den Begriff „toxische Maskulinität“ und seinen raffinierten Spielformen gehört? Sollten Sie in ihr Vokabular aufnehmen!
Ich erlebe natürlich auch „harmlose“ Impressionen mit Frauen in Hoyerswerda. Die saukluge Pastorin, deren Totenrede ich bei einer Beerdigung am liebsten mitgepinselt hätte. Meine stille, schöne Taxifahrerin, die nur abends Schichten fährt. Die Kassiererinnen im Supermarkt, olympische Scan-Meisterinnen, die mir beim Einpacken geduldig helfen. Die zwei vergnügten alten Damen in meinem Haus, die sich abwechselnd zum Mittag einladen. Schöne Frauen, die andere Frauen schön putzen, im Friseurladen gegenüber. Mir fällt die gehäufte Anwesenheit von Frauen in Hoyerswerda bei der Kufa-Tanzkompagnie und beim Bürgerchor auf und ihre gehäufte Abwesenheit – im Stadtparlament. Von derzeit 29 Parlamentariern sind gerade einmal fünf Frauen! Vermutlich ist es ganz einfach mit diesem 8. März: Er mahnt mich, wie viel weibliche Seelen-Wärme ich übers Jahr hier in diesem abgelegenen „Nest“ tanken kann – für die eigene innere Sonne. Vielleicht fange ich deshalb an, diesen Tag zu mögen. Irgendwie.
(veröffentlicht in der Sächsischen Zeitung/Hoyerswerdaer Tageblatt 10./11.03.18)