Hat Hoyerswerda einen Oberbürgermeister-Kandidaten „zivilgesellschaftlicher Bürgerlichkeit“?

Nach einem „rechtskonservativen“ OB-Kandidaten, „identifiziere“ ich einen weiteren Kandidaten-„Typus“. Ich weiß selbst, Etikettierungen sind heikel. Doch sie können markante Unterschiede beschreiben in einer grundsätzlichen Herangehensweise an Stadtpolitik und Bürgerschaft.

Dirk Nasdala (Freie Wähler) hat sich auf Facebook mit einem öffentlichen Statement als Kandidat zu der Oberbürgermeister-Wahl in Hoyerswerda gemeldet, die voraussichtlich im September 2020* stattfinden wird. Gemessen am Statement des „rechtskonservativen“ OB-Kandidaten Marco Gbureck (AfD) ein vollkommen anderer Ton. Was dürfen wir über diesen Kandidaten vermuten und von ihm erwarten?

Schauen wir auf Dirk Nasdalas Kandidaten-Statement. Was für kommunalpolitische Aussagen macht er zu unserer Stadt?
Ich greife zwei Text-Ausschnitte heraus, die für mich den Kern seines Statements ausmachen und kommentiere sie.

„Wir konnten einige zukunftsweisende Projekte vorantreiben und auch die Gründung unseres neuen Marketingvereins Familienregion HOY lässt nur den Schluss zu, dass die Menschen bei uns in der Stadt gute Perspektiven haben, um hier auch nach der Braunkohle weiterhin gerne zu leben und zu arbeiten.“

Zwei Aspekte fallen mit hier auf:
1. Er empfindet die kommunale „Gestimmtheit“ in Hoyerswerda als grundsätzlich positiv.
2. Er setzt stillschweigend die Prämisse voraus: Der Braunkohle-Ausstieg ist gegeben und nicht anzuzweifeln.

„Aber besonders freuen mich Erfolge, die durch Zusammenarbeit vieler Beteiligter zustande kommen. Zum Beispiel das gemeinsame Herangehen bei der Erstellung unseres Bürgerhaushaltes und der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen, aber auch die weitere Arbeit zur Umsetzung des Handlungsprogramms unseres gemeinsam erarbeiteten Leitbildes Hoyerswerda 2030.“ 

Was fällt mir hier beim OB-Kandidat Dirk Nasdala auf?
1. Dirk Nasdala fokussiert auf die Zusammenarbeit vieler Beteiligter bei zwei für Hoyerswerda ungewöhnlichen kommunalen Projekten, die sich durch ein besonderes Zusammenspiel zwischen Stadtverwaltung, Stadtparlament und aktive Bürgerschaft auszeichneten: der Bürgerhaushalt und die Überarbeitung des Leitbildes Hoyerswerda 2030.
2. Er betont damit stillschweigend eine für Hoyerswerda neue Qualität kommunaler Demokratie: die Bürgerbeteiligung. Eine Form politischer Partizipation, die weit über die Aktivität des bloßen Wählens hinausgeht.

Vergleichen wir die beiden Statements der OB-Kandidaten, so wird bei Marco Gbureck folgendes erkennbar:
1.Marco Gbureck betont den kommunalpolitisch „katastrophischen“ Zustand von Hoyerswerda („Trümmerfeld“).
2. Er macht den Eindruck ein Vertreter des „starken Staates“ zu sein, der darauf vertraut, dass er als starke politische Einzelpersönlichkeit den (angenommenen oder tatsächlichen?) Trümmerhaufen beräumen kann.
3. Er erwähnt mit keiner Silbe zwei bedeutsame „Ereignisse“ kommunaler Demokratie (Bürgerhaushalt, Leitbild/Handlungsprogramm 2030) und bleibt somit in seinem Statement in Sachen Mitbestimmung der Bürger sehr vage und allgemein. Der Eindruck drängt sich auf, dass er die Bürgerschaft weniger als Subjekt der Mitbestimmung auffasst, sondern eher als Objekt der Sorge und des Schutzes.
4. Er bewertet den bundespolitisch gesetzten Lausitzer Kohle-Ausstieg/Strukturwandel als grundsätzlich negativ, der den Hoyerswerdaer Bürgern eher Schaden bringt als dass er ihnen Chancen eröffnet.

Im Unterschied dazu Dirk Nasdala:
1. Dieser konstatiert eine grundsätzlich positive kommunalpolitische Stimmung und Ausgangssitution für die Stadt Hoyerswerda.
2. Dirk Nasdala scheint durch seinen ausdrücklich wertschätzenden Verweis auf den Bürgerhaushalt und auf das Leitbild/Handlungsprogramm „Hoyerswerda 2030“ eher ein Vertreter kooperativer Zusammenarbeit und darüber hinaus sogar ein Vertreter „partizipatorischer Demokratie“ zu sein.
3. Er nimmt den bundespolitisch beschlossenen Braunkohle-Ausstieg als gegeben hin, ohne ihn positiv oder negativ zu bewerten.

Kurz gesagt: In Dirk Nasdala scheint sich ein OB-Kandidat zu präsentieren, der in seiner Herangehensweise an die Stadtpolitik und an ihren formalen Souverän, die Bürgerschaft, vollkommen anders gepolt ist als Marco Gburek.

Etikettieren wir diese beiden Kandidaten, so möchte ich hier zwei sehr gegensätzliche Benennungen verwenden:
Marco Gbureck ist ein typisch „rechtskonservativer“ Kandidat. Diese Grundhaltung lässt sich auch im kommunalen Kontext annehmen, ganz im Einklang mit seiner Parteimitgliedschaft in der AfD.
Dirk Nasdala macht den Eindruck ein Vertreter „zivilgesellschaftlicher Bürgerlichkeit“ zu sein.

Nun weiß ich selbst, dass Etikettierungen nur relative Geltung haben und man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen darf. Natürlich weiß ich das! Bei einer so bedeutsamen Wahl wie der Oberbürgermeister-Wahl sollte man dann Worte hin und wieder doch auf die Waage legen und sie abschmecken. Zumindest wachsam beobachten und abwägen, was uns da von den Kandidaten mitgeteilt wird. Nur vom Augenschein und Bauchgefühl allein, sollten wir uns nicht leiten lassen.

++++

Dirk Nasdala trat als Vertreter der parteiunabhängigen Wählergemeinschaft „Freie Wähler“ 2013 schon einmal bei den Oberbürgermeisterwahlen an.

Am 22.09.2013 gingen 18.011 von 30.908 wahlberechtigten Hoyerswerdaern zum zweitenmal wählen, nachdem keiner von den fünf ursprünglichen Kandidaten beim ersten Wahlgang am 02.09.13 die absolute Mehrheit erringen konnte.

Die 17.721 gültigen Stimmen verteilten sich im 2. Wahlgang (siehe Amtsblatt Ausgabe 730, v. 25.09.2013) folgendermaßen:
1. Stefan Skora (CDU) – 6.428
2. Dirk Nasdala (Freie Wähler) – 5.871
3. Ralph Büchner (Die Linke) – 3.855
4. Katrin Kiefel (parteilos) – 1.567

Maritta Albrecht (aufgestellt von der SPD) hatte nach dem 1. Wahlgang ihre OB-Kandidatur zurückgezogen.
Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 der Sächsischen Gemeindeordnung gewann damit der CDU-Kandidat Stefan Skora mit einfacher Mehrheit.

* Dieser Termin wurde von mir nun korrigiert. Zunächst war auf der Website der Stadt dazu bereits ein tabellarisch eingetragener Termin zu finden: 01.09.20. Dieser wurde nun auf der Website korrigiert, weil er erst eines Stadtratsbeschlusses bedarf, den es noch nicht gibt.