Hoyerswerda an der Scheidegrenze: Rechtskonservatismus oder „zivilgesellschaftliche Bürgerlichkeit“?

Die AfD Hoyerswerda hat Ihren Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl 2020 bekannt gegeben. Was ist daran so beklagenswert? Was wäre stattdessen unterstützenswert?

In den letzten Jahren durften wir die politischen Grundhaltungen des AfD-Rechtskonservatismus auf der Bundes-, Länder- und kommunalen Ebene kennenlernen. Sie enthüllen eine bestimmte Art und Weise an die Bürgerschaft heranzutreten und sie für seine politischen Ziele zu überzeugen. Was daran erscheint für Hoyerswerda beklagenswert? 

  1. Der AfD-Rechtskonservatismus ist kein Freund konsequent sachorientierter Fakten. Statt neugierig-nüchterner Erforschung und Abwägung von Fakten für einen Entscheidungsprozess, bevorzugt er die Auslegung der Fakten einerseits zum Zwecke emotionaler Polarisierung der Bürgerschaft und andererseits als Munition für die eigene Propaganda (Beispiele: der durch Menschen beeinflusste Klimawandel wird als „Klimalüge“ bezeichnet; Befürworter des Kohleausstiegs sind „Ökoterroristen“; ein notwendig erscheinender Strukturwandel wird als „Strukturschwindel“ bezeichnet).
  2. Das Hauptmerkmal der politischen Sprache des Rechtskonservatismus ist: Freund – Feind. Schwarz – weiß. Ihm fehlt die Sicht auf Grautöne und Nuancen unseres widersprüchlichen Lebens. Voller Argwohn misstraut er dem dialektischen „Sowohl-als-auch“ und treibt es ausdauernd in ein polarisierendes „Entweder-oder“.
  3. Es ihm mangelt es an Wertschätzung gegenüber Andersdenkenden. Andere Perspektiven und Sichtweisen begegnet er mit abfällig-abschätziger, ja demütigender Sprache.
  4. Die uns Bürger unbefriedigenden bzw. beklagenswerten Zustände in der Lausitz schaut der AfD-Rechtskonservatismus strikt aus der Perspektive von Problemen an, die er zum schlimmstmöglichen Ausgang hin zuspitzt und deren Ursachen er abwertend personalisiert („Wer ist schuld?“).
  5. Die Perspektive wertschätzender Lösbarkeit gegenüber den unbefriedigenden bzw. beklagenswerten Zuständen ist ihm fremd („Was können wir gemeinsam tun, damit diese verschwinden?“)
  6. Der Rechtskonservatismus tritt dabei so kompromisslos auf, dass der Eindruck ersteht, als wolle er gar keine „teilhabenden“ Lösungen für alle Beteiligten erforschen und vertreten, sondern sich stattdessen des Staates bemächtigen, um diesen „autoritär“ für seine politischen Werte und Ziele auszurichten. 

An diesem letzten Punkt zeigt der Rechtskonservatismus der AfD seine größte Schwäche. Einerseits glaubt er (zurecht) an die emotionale Radikalisierung und verändernde Kraft von Protest und Wut der Bürgerschaft gegen die bestehenden Verhältnissen – andererseits ruft er nach einem autoritären Staat, der die beklagenswerten Zustände „von oben“ für die Bürgerschaft „unten“ lösen soll. Das mühselige gemeinschaftliche Aushandeln von Lösungen lehnt er ab. Der „erlösende“, starke Staat erscheint als das eigentliche politische Fernziel des Rechtskonservatismus. Es geht nicht um gemeinschaftliches „Mitregieren“, sondern um autoritäres „Alleinregieren“.

Paradoxerweise reduziert und entmündigt der Rechtskonservatismus in dieser Hinsicht die Vielfalt der Bürgerschaft, weil er die Lösungen ausschließlich beim Staat sucht und nicht in den Rahmenbedingungen für eine verbesserte Selbstorganisation und Selbstverwaltung der Bürger.

Angesichts der unbefriedigenden bzw. beklagenswerten Zustände in der Lausitz – bezüglich des Kohleausstiegs und des anstehenden regionalen Strukturwandels – gibt es noch eine andere Herangehensweise an die Bürgerschaft als die des Rechtskonservatismus. Ich nenne diese andere Herangehensweise die „zivilgesellschaftlich-solidarische Bürgerlichkeit“, die sich durch folgende Grundhaltungen auszeichnet:

  1. Sie gründet sich im positiven Sinne auf ein „Gutmenschentum“ oder um einen nicht-polemischen Begriff zu nutzen, auf die Wertschätzung eines jeden Bürgers ganz gleich welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, Herkunft und Anschauung.
  2. Dies Form der Bürgerlichkeit setzt im Gegensatz zum Rechtskonservatismus nicht auf den „autoritären“ Staat, sondern auf die Fähigkeit und das Interesse der Bürgerschaft, ihre Angelegenheiten gemeinschaftlich und so autonom wie nötig/möglich selbst zu regeln. Sie glaubt zutiefst an die kreative Teilhabe der vielfältigen Bürgerschaft im Auffinden und Aushandeln von Lösungen für alle Beteiligten.
  3. Die zivilgesellschaftlich-solidarische Bürgerlichkeit fordert die Anwesenheit und das Agieren eines Staates auf allen Ebenen seiner Präsenz (Bund, Länder, Kommune) nur dann, wenn es darum geht, die entsprechende Rahmenbedingungen für eine angemessene Selbstorganisation der Bürgerschaft zu schützen und zu fördern (Subsidaritäts-Prinzip).

Rechtskonservatismus und „zivilgesellschaftlich-solidarische Bürgerlichkeit“ sind so gesehen zwei entgegengesetzte Grundhaltungen und politische Techniken auf die gegenwärtigen Krise der repräsentativen Demokratie zu reagieren, die sich mittlerweile auf allen Ebenen unserer Gesellschaft zeigt (Bund, Länder, Kommunen). Es sind zwei entgegengesetzte Arten und Herangehensweisen gegenüber staatlicher Verwaltung und der Eigen-Verantwortung des Bürgers.

Im Kampf um den bedeutsamen Posten des neuen Oberbürgermeisters von Hoyerswerda hat der rechtskonservative Pol unserer Stadtgesellschaft einen starken, aussichtsreichen Kandidaten gefunden.

Es wird sich zeigen, ob sein Gegenpol (die „zivilgesellschaftlich-solidarische Bürgerlichkeit“) ENTWEDER einen würdigen Gegenkandidaten wird ins Feld führen können. ODER, ob stattdessen eine Vielzahl von Kandidaten erscheinen wird, die einerseits mehr oder weniger zu einem der beiden Pole tendieren (inklusive gewisser Kontur-Unschärfen) und die andererseits in „aufgespaltenen Zähl-Minderheiten“ der „Zählmehrheit“ des rechtskonservativen Kandidaten chancenlos ausgeliefert sind.

Zum politik-gestalterischen Dilemma der AfD in Hoyerswerda und in der Lausitz – hier mehr.

Zu dem, was die „bürgerlich-demokratische Mitte“ von Hoyerswerda nun tun könnte – hier mehr.