Hoyerswerda: Die Wende und ihre Folgen. Die Entstehung einer neuen Stadtgesellschaft (1990-2015)

Ideenskizze für eine dokumentarische Veranstaltungs-Reihe. Ein Schubladen-Projekt, denn es wird (vorerst) nicht realisiert. Aus Mangel an lokalen Mitmachern.

Ausgangspunkt

Vier Wissenschaftler und ein Architekturjournalist/Publizist begleiten seit ca. 15 Jahren die Geschehnisse der widerspruchsvollen Stadt-Entwicklung in Hoyerswerda. Zahlreiche wissenschaftliche und fachjournalistische Publikationen sowie zwei Doktorarbeiten entstanden dazu. Nun schreiben sie gemeinsam ein Buch.

Ein Dokumentarfilmer und Autor arbeitet seit dem Jahre 2005 an einigen soziokulturellen Projekten und Filmen in und über Hoyerswerda mit. 2016 verlegt er, aufgrund einer schweren Erkrankung, seinen Wohn-, Arbeits- und Lebensmittelpunkt nach Hoyerswerda und wird Bürger dieser Stadt. Seitdem erlebt er als unmittelbarer Zeuge eine nunmehr spannende (bevorstehende) bürgergesellschaftliche Veränderung in Hoyerswerda.

2018 leitete er im Rahmen eines Jahresprojektes „Hoywoy reloaded – 750 Jahre Hoyerswerda“ an der Kulturfabrik/Bürgerzentrum ein Zeitzeugenprojekt über den stadthistorischen Zeitraum von 1955-1990. Projekt-Titel: „Vision und Anspruch. Das Scheitern der sozialistischen Zukunftsstadt Hoyerswerda.“ Aufgrund der Resonanz dieses Projektes und der mahnend-dringenden Hinweise von Hoyerswerdaer Bürgern entschlossen sich der Projektleiter und die Kulturfabrik Hoyerswerda e.V. das Zeitzeugen-Projekt fortzuführen und sich nunmehr mit einer „lokalen Lupe“ dem Zeitraum nach 1990 zuzuwenden.

Zeitgleich machte die Wissenschaftler-Gruppe die Projektinitiatoren auf ihre bevorstehende Publikation aufmerksam: „Alle oder keiner! – Hoyerswerdas Aufbruch in die postindustrielle Moderne“ (mit Beiträgen von Simone Hain, Nina Gribat, Nico Grunze, Wolfgang Kil und Felix Ringel). Sie weisen dabei  auf einen bürgergesellschaftlich höchst bedeutsamen Sachverhalt hin, der unmittelbar im Zuge der politischen Wende/Wiedervereinigung im Kontext der extremen Schrumpfung von Hoyerswerda entstand. Der Sachverhalt beschreibt modellhaft einen Konflikt, der sich strukturell einwurzelte, sehr widerspruchsvoll entfaltete und der nun – 30 Jahre später – zunehmend seine destruktiven Lösungsformen auflöst und neue, produktive Formen entwickelt.

In ihrem noch unveröffentlichten Buch-Exposé beschreiben sie den zentralen Konflikt der Stadtentwicklung von Hoyerswerda als den Widerspruch zwischen bürokratischer Anpassung / Stadtumbau als business-as-usual einerseits – versus sozio-kultureller Praxis der betroffenen Bürgerschaft andererseits.

Nina Gribat beschreibt den Widerspruch als „die Spaltung in (a) den Umgang mit der Schrumpfung als ein geschlossener, rein fachlicher und erprobter Prozess eines business-as-usual, in den lediglich Stadtverwaltung, Stadtrat, Wohnungs- und Versorgungsunternehmen involviert sind; sowie (b) den Umgang mit der Schrumpfung als ergebnisoffener und kultureller Aushandlungsprozess an dem vor allem die ältere Architekten und Planergeneration sowie unter den jüngeren Kulturschaffenden und eine Vielzahl an Bewohner_innen und Außenstehenden beteiligt waren.“

Die Projektidee und ihre „Produkte“

Vor dem Hintergrund dieses zentralen Konflikts möchte das Zeitzeugen-Projekt den Konfliktinhalt und -Verlauf von 1990 bis 2015 an exemplarischen Beispielen genauer und konkreter beschreiben. Aufeinanderprallende Perspektiven, innere und äußere „Kämpfe“ der beiden großen Akteursgruppen genauer skizzieren sowie „empirisch“ dokumentieren.

Grundsatz bei der Herangehensweise ist dabei eine vorurteilsfreie, beschreibende Perspektive der Argumente und Gegenargumente sowie der Handlungsweisen, Motive und Ziele der beiden großen Akteursgruppen.

Das Projekt möchte sich bei dieser dokumentarischen Rekonstruktion und Beschreibung verschiedener medialer Ausdrucksmittel bedienen und diese in einer Veranstaltungsreihe präsentieren.

(1) eine moderierte Film-Veranstaltung zu in Hoyerswerda stattgefundenen bürgergesellschaftlichen Projekten zu diesem Thema, die per Video festgehalten wurden.

(2) eine Film-Veranstaltung von TV-Beiträgen bzw. Rundfunkbeiträgen, die durch das lokale und regionale Fernsehen/Rundfunk zu diesem Thema entstanden

(3) eine Buchvorstellung

(4) eine szenische Lesung (Reenactment) auf der Grundlage von Dokumenten und Protokollen

(5) ein öffentliches, dokumentarisches Zeitzeugengespräch

(6) eine dokumentarische Ausstellung zum Zeitraum 1990-2015

(7) eine „digitale Bibliothek“ von Bild-, Ton- und Text-Dokumenten

Das eigentliche Projektziel hat einen „demokratie-didaktischen“ Hintergrund: Es geht darum dem Zielpublikum (Hoyerswerdaer Bürger) die dokumentarisch nachweisbaren Aushandlungsformen des oben beschriebenen zentralen Konfliktes vorzuführen.

Typische Aushandlungsmuster/Verhaltensweisen sollen dabei identifiziert und sichtbar gemacht werden – mit dem Ziel ihre „methodische“ Tauglichkeit für einen demokratischen Aushandlungsprozess der Belange einer Stadtgesellschaft zu prüfen.

Das Projekt versteht sich als eine Art dokumentarische „Konfliktbox“, gewissermaßen als ein bürgergesellschaftliches Konflikt-Untersuchungs-Labor.